Brand-Design im digitalen Zeitalter – Das How-to für Markenmacher (1)

Den größten Teil meines Berufslebens war Markenführung und -inszenierung offline. In der guten, alten 360-Grad-Kommunikation hießen die wichtigsten Kanäle über die wir Marken inszenierten klassische Werbung, Direct Marketing, Promotion, Event und PR. Heute denken wir zuerst digital. Und nur die großen Player investieren noch in die nicht-digitalen Kanäle.

Als Markenstratege interessiert mich, was dieser Paradigmenwechsel von offline zu Digital-First für die Entwicklung und das Design von Marken bedeutet. Was müssen wir als Markenmacher heute anders denken und machen, damit wir die Marken unserer Kunden gerade in den digitalen Kanälen optimal inszenieren können? Wie gestalten wir Marken für den digitalen Raum?

In diesem Beitrag lest ihr, welche Tipps einer der gefragtesten Experten für Social-Media-Marketing für alle Markengestalter und -führer parat hat und was ihr bei der Entwicklung von Marken im digitalen Raum seiner Meinung nach unbedingt beachten solltet.

Nachdem ich erstaunlich wenig kompetente Literatur zu diesem Thema gefunden habe, kam ich auf die Idee, mal ein paar Experten aus meinem Netzwerk zu fragen. Die kurzen Interviews und vor allen die spannenden Erkenntnisse daraus möchte ich hier in einer eigenen Reihe von Beiträgen vorstellen.

Von Croome - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=38231700

Von Croome - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=38231700

Collin Croome, Digital-Entrepreneur und Social-Media-Experte,
Heute treffe ich Collin Croome, einen Digital-Entrepreneur, der mit seiner Agentur coma2 [hier] schon Ende der 90er Jahre Marken im Internet inszenierte, als die meisten von uns noch nicht einmal wussten, wie Internet geht. Ich kenne und schätze den Multimedia-Unternehmer, Autor, Referent und gefragten Keynote-Speaker Croome, aka «Mr. Facebook Marketing» schon lange und finde interessant, dass er den Begriff «e-branding» in der Unterzeile seiner Agentur coma2 führt. Der Mann muss doch wissen, wie Marken beschaffen sein müssen, um sich in der digitalen Welt durchsetzen zu können.

BrandDoctor: Collin, Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, um mit mir über Marken im digitalen Raum zu sprechen! Wir beide sind ja noch mit der guten alten Fernsehwerbung groß geworden, der Blütezeit der großen Konzernmarken, wie Coca-Cola, Kellogg’s, NIVEA und Milka. Worauf müssen Markenstrategen und -designer heute achten, damit ihre Marken fit werden für digitale Inszenierung, «e-branding», wie du es nennst?

Collin Croome: Schön, dass wir uns beide auch nach 20 Jahren nicht aus den Augen verloren haben und immer wieder zusammenfinden. Social Media funktioniert also doch! ;)

«Grundsätzlich sollten wir aufhören, digital und analog zu trennen.»

Grundsätzlich denke ich, dass wir aufhören sollten, analog und digital zu trennen: Was in der „echten“ Welt funktioniert, funktioniert auch digital: Letztendlich geht es um Vertrauen, Nähe und Authentizität – privat wie geschäftlich!

Wir alle wechseln fortlaufend und unbewusst zwischen den verschiedenen Medien-Typen, Endgeräten und Kanälen hin und her. Eine Marke muss authentisch und unverkennbar sein. Egal wo, wann und an welchem Punkt der Customer Journey.

«War Reichweite früher das Wichtigste – so ist es heute Relevanz und Engagement.»

War Reichweite früher das Wichtigste – so ist es heute Relevanz und Engagement.

Als Marke muss ich bei der richtigen Zielgruppe zunächst Aufmerksamkeit schaffen. Dafür muss der Content relevant sein! Ist er dies, wird sich der potenzielle Kunde mit meinen Inhalten beschäftigen. Je länger und intensiver er dies tut, umso besser. Schaffe ich es sogar, dass der User mit meinen Inhalten interagiert (also klickt, liket, kommentiert oder teilt) umso besser wird der sogenannte Relevance-Score und umso wahrscheinlicher ist es, dass diese Person meine Posts und Werbung zukünftig häufiger sieht. 

Je besser der Relevance-Score, desto höher wird meine organische Reichweite und umso günstiger werden die Anzeigenpreise. So funktionieren – stark vereinfacht – die Social-Media- und Advertising-Algorithmen.

Als Marke bedeutet dies, ich muss heutzutage fortlaufend hochwertiges, strategisches und vor allem relevantes Content-Marketing & Storytelling betreiben. Jede einzelne Veröffentlichung sollte dabei die folgenden 6 S berücksichtigen:

  1. snackable (kurzweilig)

  2. shareable (teilbar)

  3. surprising (überraschend)

  4. strategic (einem klaren Ziel folgend)

  5. speed (schnell erfassbar)

  6. simple (einfach & kurz)

BrandDoctor:
Heute, wo Markenbotschaften zu großen Teilen über kleine Bildschirme von Smartphones rezipiert werden, was würdest du Marken-Designer raten? Was sollten sie bei der Gestaltung unbedingt beachten?

Collin Croome:
Heute kommt es (neben hochwertigen Inhalten) auf eine optimale User-Experience (UX) und ein gutes, einfach zu bedienendes User-Interface (UI) an. Nutzer müssen sich sofort zurechtfinden und verstehen, worum es sich handelt und wie die Website oder App funktioniert. Ist die Usability schlecht, ist der Anwender ganz schnell wieder weg. Das bekommt auch Google mit, verringert den Relevance-Score und «bestraft» mich mit einem schlechteren Ranking bei den Sucherergebnissen.

Daher braucht es im Vorfeld eine gute Planung und durchdachte Informationsarchitektur.

Wenn wir neue Websites oder Online-Specials gestalten, fangen wir immer mobil an. Wenn man es schafft, dass die Navigation und Inhalte auf einem kleinen Bildschirm funktionieren, dann klappt es zu 99 % auch auf großen Screens. Früher gestalteten wir in Photoshop oder Illustrator – heute nutzen wir dafür Adobe XD. Es ist das derzeit beste UX/UI Prototyping-Werkzeug für die Erstellung dynamischer Websites und ist sogar kostenlos.

Wir alle sind von den Services von Google, Apple, Facebook und Amazon (kurz GAFA) verwöhnt und erwarten auch von anderen Unternehmen und Marken Schnelligkeit, einfache Nutzung, optimalen Service und Kunden-zentriertes Handeln. Die GAFAs geben die Spielregeln vor! Wenn man sich als Unternehmen nicht an ihre Regeln hält, ist man nicht sichtbar, nicht auffindbar und kommt letztendlich nicht beim Kunden an.

Im Zeitalter von WhatsApp erwarte ich sofort Feedback – nicht erst nach Tagen. Kostenpflichtige Lieferung? Nein Danke! Amazon Prime liefert umsonst und bestenfalls am selben Tag. Wenn ich meine Websites nicht vernünftig Suchmaschinen-optimiere (SEO), werde ich über Google nur schlecht oder gar nicht gefunden. Wenn ich auf Facebook und Instagram nicht präsent bin, ignoriere ich Plattformen, auf denen Milliarden Menschen jeden Tag aktiv sind. Verkaufe ich Produkte an Endkunden und bin noch nicht auf Amazon präsent, dann wird es höchste Zeit im größten Kaufhaus der Welt Flagge zu zeigen.

BrandDoctor: Wir lesen ja überall, dass Bewegtbild das neue Gold in den digitalen Kanälen ist. Heißt das aus deiner Sicht, dass sich auch Markenlogos künftig mehr bewegen müssen?

Collin Croome: Eigentlich sind ja Daten „das neue Gold“ ;) aber im Ernst:

«Bewegtbild sagt mehr als 1000 Bilder.»

Bewegtbild ist immer auffälliger als ein statisches Bild – und um Aufmerksamkeit geht es ja letztendlich! Videos, Stories, Livecasts, 360° Panoramen und 3D-Fotos sind im weitesten Sinne alles bewegte Bildformate. Handelt es sich um Virtual Reality (VR) oder Augmented Reality (AR) sind diese interaktiv und bestenfalls „immersive“. Das heißt diese bewegten Bilder schaffen es, jemanden direkt in das Geschehen hinein zu versetzen.

Sagte man früher: „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“, so könnte man heute sagen: „Bewegtbild sagt mehr als 1000 Bilder.“

Auch Markenlogos können sich dem nicht entziehen: Annähernd alle großen Marken haben inzwischen eine animierte Version ihres Logos. Dabei geht es nicht um Effekthascherei, sondern darum, das Logo innerhalb von 2-5 Sekunden spannend und emotional zu inszenieren. Bestenfalls kombiniert mit dem passenden Sound-Branding.

«Ich verstehe unter »e-branding« die Aufgabe ein Unternehmen, eine Marke oder ein Produkt im digitalen Raum „erlebbar“ zu machen …»

Ich verstehe unter »e-branding« die Aufgabe ein Unternehmen, eine Marke oder ein Produkt im digitalen Raum „erlebbar“ zu machen, die Wahrnehmung und Begehrlichkeit zu steigern sowie letztendlich die Kundenbedürfnisse zu erfüllen. Aber im Vergleich zu früher, gibt es heute unzählige digitale Kanäle in denen Menschen Ihre kostbare Zeit verbringen. Selbst „klassische“ Medien wie Zeitungen, Radio, Nachrichten oder TV konsumieren wir heute größtenteils digital und non-linear. Jeder ist heute sein eigener Programmchef und bestimmt selbst, wann, an welchem Ort und in welcher Tiefe er oder sie Informationen konsumiert. Darüber hinaus kann sogar jeder selbst Absender sein und Medien, egal ob Text, Bild, Audio- oder Video in hoher Qualität veröffentlichen.

Dadurch gibt es nicht nur eine Content-Explosion, sondern einen kontinuierlichen Information-Overflow, was zur Folge hat, dass es als Marke immer schwieriger wird, für den Kunden überhaupt sichtbar zu sein.

Erschwerend kommt hinzu, dass heute größtenteils Algorithmen darüber entscheiden, was wir online sehen. Alle Inhalte in den Social-Media-Kanälen, wie auch Online-Werbung werden individuell auf Basis demografischer Daten sowie des früheren Nutzerverhaltens ausgespielt. Selbst moderne E-Commerce-Shops wie Amazon passen die Inhalte auf meine Bedürfnisse an.

BrandDoctor: Dann fasse ich nochmals zusammen: Collin plädiert dafür, endlich damit aufzuhören offline und online als verschiedene Kanäle zu betrachten und stattdessen bei der Markengestaltung immer gleich in digitalen Medien und ihren Chancen aber auch Beschränkungen zu denken. Starke Marken müssen gerade in den digitalen Kanälen erlebbar werden und weniger statisch sondern multi-sensorisch, also bewegt und mit einem markentypischen Sound unterlegt werden. Markengestaltung muss bei wichtigen Zielgruppen Relevanz erzeugen, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden.
Danke für deinen Input, Collin!

In weiteren Teilen dieser mehrteiligen Interviewserie unterhalte ich mich unter anderem mit Gunther Weis, dem Mitgründer der Web Guerillas und heutigen Co-Geschäftsführer der Designagentur mattweis in München, Jürgen Biefang, Digital-Story-Teller, Video-Producer und Inhaber der Produktionsfirma CLIPPS.TV in München und Daniel Borck, dem Geschäftsführer, Creative Director und Mitbegründer der Brody Associates Berlin.


Der BrandDoctor führte das Gespräch mit Collin Croome, Mit-Gründer und Geschäftsführer von coma2 e-branding, der «Digital Marketing- & Social Media Agentur für kreative, innovative und messbare Lösungen» in München.

Der BrandDoctor hilft bei wichtigen Markenentscheidungen mit Tragweite.
Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen sowie Marken- und Designagenturen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.

Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Alleine, als Markenstrategieberater oder im Team mit erfahrenen Spezialisten aus seinem Kompetenznetzwerk.

Andreas Wiehrdt

Hallo!
Hier schreibe und sammele ich als BrandDoctor Interessantes, Neues und Hilfreiches zu meinen Themen Markenstrategie und -Design.


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